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Petra Schneider
Über die Magie des konstruierten Blickes

Unnahbar, surreal, etwas von der Realität entrückt wirken diese Bil­der zunächst, obgleich alles, was sie darstellen, als real und nicht außer­gewöhnlich exotisch wahrgenommen wird. Tiere, Menschen, Landschaften – all das gehört für jeden zum Erfahrungsfundus und kann leicht identifiziert werden.

Die bewusste, von Petra Schneider provozierte Grenz­über­schrei­tung findet auf raffinierte Art und Weise statt. Bei den Strandbildern der Serie „gotyourtrash“ zum Beispiel ‘reinigt’ die Fotografin digital die Bilder von allem, was sie für eine von ihr konzipierte Komposition nicht ge­brau­chen kann. Sie konzentriert sich auf das Wesentliche und konstruiert so fast beunruhigend anmutende Situati­onen. Jungfräu­lich un­berührte Strände, ohne den üblichen Bade­rummel, sehen aus, als würden sie das erste Mal betreten, besiedelt werden. Wie wagemutige Ent­decker stecken die Touristen Grenzen ab, ero­bern das Terrain, setzen weit sichtbare Mar­ken. Natür­lich gibt es auch in der Realität unberührte Strände, doch die frequentierten Orte sehen bekanntlich anders aus.

Auch in der zweiten Serie über Land­schaften und Tiere gibt sich die Fotografin nicht mit der vorgefundenen Realität zufrieden, sondern fügt als Einzelaspekte aufgenommene Versatzstücke zu neuen Bildern zusammen. Vergleich­bar mit der Palette eines Malers benutzt Petra Schneider ihr facettenreiches, digitales Archiv, das sie gezielt durch immer wieder neue Bilder erweitert, um mit diesem Material später ihre erdachten Bilder zu komponieren.

Es gehört eine ordentliche Portion Disziplin dazu, sich bei der Arbeit am Computer zu mäßigen und die angedachten Bildideen nicht mit zu vielen Elementen zu überfrachten. Wie bei einem Puzzlebild montiert die Fotografin die einzelnen Elemente so lange zusammen, bis das zuvor skizzierte Bild der konstruierten „Realität“ entspricht und dabei nichts fehlt oder am falschen Platz sitzt.

Es sind also keine gut gesehenen und spontan fotografierten Aus­schnitte des realen Lebens, die wir wahrnehmen, sondern gut gedachte und überzeugend realisierte Mon­tagen, die zwar auffallend aufgeräumt und harmonisch wirken, von wenigen Ausnahmen abgesehen jedoch irgendwo in der Welt genau so hätten statt finden können.

Petra Schneiders digitale Konstrukte füllen lustvoll und visuell anregend jene Freiräume zwischen Sein und Schein, die der Alltag offeriert. Denn auch die reale Welt ist durch Absur­ditäten gespickt, die die Linearität des Logischen, des Glaub­­haften immer wieder durchbrechen. Auch die Romantik oder poetische Zwi­schen­töne fehlen hier nicht und dienen als Lockmittel für die nach Harmonie dürstenden Sinne. Und wieder zeigt die Fotografin Gespür für die Intensität ihrer Manipula­tionen und hält bewusst Abstand zum übertriebenen Kitsch.

Bei fotografischen Puristen mag diese Art von konstruierten Bildern sicher keine große Begeisterung hervorrufen. Doch wenn man bereit ist, das sicher diskutierbare Dogma des Wahren, des Authentischen zu hinterfragen, so sind Petra Schnei­ders konstruierten Situati­onen plötzlich ganz anders positioniert.

Sich bei Petra Schneiders Bildern nur auf die technische Raffinesse zu konzentrieren, wäre grundfalsch. Die digitalen Werkzeuge sind allerdings doch noch so neu und faszi­nierend, dass man unweigerlich über die mannigfachen Möglich­kei­ten staunt. Aber, und dies ist die deutlich sichtbare Qualität der Arbei­ten, hier handelt es sich um sehr anregende Bilder, die im Kopf hängen bleiben. Diese visuelle Präsenz ist es, die den Betrachter unmittelbar anspricht und fasziniert, auch ohne Informationen über die Entstehung der Arbeiten.

Petra Schneider zeigt in Bildern verpackte, kleine Geschichten über das Leben. Die Fotografin schreibt: „Meine Fotografien handeln von der Verlorenheit in der Welt als exis­ten­zielle Grunderfahrung des Men­schen und von der Möglichkeit des Glücks. Die Fotografie ist dabei ein magisches Instrument, das mir die Fähigkeiten gibt, genau hinzusehen und zu forschen.“

Bei Petra Schneider sind es eher die feinen Töne und die poetischen Anklänge, die den Betrachter faszinieren und ihn im Ungewissen lassen, was hier tatsächlich manipuliert wurde. Letztendlich ist es aber egal, denn worauf es ankommt, sind die Faszination dieser Bilder und die Assoziationen, die zu wecken sie im Stande sind. Dennis Brudna, Photonews

Petra Schneider (geb. 1973) studierte an der Akademie der Bil­denden Künste in München, an der Kunstakademie in Düssel­dorf und im Rahmen eines DAAD-Stipen­diums an der Universidad de la Guajara in Teneriffa, Spanien. 2008 erhielt sie den Bayerischen Kunst­förderpreis. Sie lebt und arbeitet in Mün­chen.